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Buchzeit-Talk: KI

Seit 2022 sind KI-Anwendungen wie ChatGPT und Midjourney der breiten Öffenlichkeit bekannt. Dass dies keine Modeerscheinung ist und sich diese Entwicklung auch in Zukunft forsetzt, sollte uns bewusst werden. Auch die diesjährige Leipziger Buchmesse thematisierte „KI und Digitalisierung“ in vielen Veranstaltungsreihen. Wir haben am Donnerstag, dem 27.04.2023, den 3sat Buchzeit Talk über den Einsatz von KI im literarischen und künstlerischen Bereich live auf der Messe mitverfolgt. Es entstand eine interessante Podiumsdiskussion über Potentiale und Risiken der neuen Technologie.

Was genau ist eigentlich eine generative Künstliche Intelligenz?

Generative KI1 ist ein Sammelbegriff für Technologien, die Maschinen in die Lage versetzen, aus vorhandenen Inhalten (Texten, Audiodateien, Bildern, Videos, Code) synthetische Daten zu erzeugen, die für Benutzer:innen echt wirken. Die KI verwendet Trainingsdaten, um zugrundeliegende Muster zu erkennen. Dadurch wird ein Wahrscheinlichkeitsraum aufgebaut und es ist der Anwendung möglich, nach menschlichen Vorgaben eigenständig Inhalte zu erstellen.

Auch wenn der Aufstieg erst 2022 passierte, ist diese Technologie nicht erst gestern entstanden. Die nötigen Ressourcen waren nur noch nicht ausreichend gegeben. Eine sich stetig verbessernde Rechnerleistung und erhöhte Anzahl an Trainingseinheiten ermöglichten dann die exponentielle Entwicklung in den letzten fünf Jahren und schließlich den Durchbruch in die Öffentlichkeit.

ChatGPT – der Chatbot der Zukunft

Der Chatbot wurde im November 2022 vom US-amerikanische Unternehmen OpenAI veröffentlicht2. Im Januar 2023 erreichte ChatGPT bereits über 100 Millionen Nutzende und ist somit die am schnellsten wachsende Plattform. Die Grundlage bildet das Sprachmodell GPT-3.5 (GPT steht für Generative Pre-trained Transformer). GPT basiert auf dem Maschinenlernmodell Transformer“ von Google, das speziell für die Verarbeitung von sequenziellen Daten wie Texten und Sprache entwickelt wurde. Es kann die Bedeutungen von Wörtern in einem Satz oder Text erfassen und die Beziehungen zwischen Wörtern dynamisch modellieren. Als Trainingsdaten diente eine umfangreiche Textsammlung aus Büchern, Briefen und Enzyklopädien. Anschließend wurde ChatGPT auf die eigentliche Aufgabe trainiert – das Generieren von Antworten auf vorher gestellte Fragen.

ChatGPT stehen mehr als 500 Milliarden Datensätze zur Verfügung. Aus diesen Datensätzen kann die KI Muster erkennen und die Wahrscheinlichkeit für das nächste Wort vorhersagen. Auch wenn Gedichte, Kurzgeschichten und sogar Coding bereits gut von ChatGPT umgesetzt werden können, ist es bisher noch nicht möglich, einen 300-seitigen Roman zu verfassen. Doch die KI entwickelt sich durch jede Nutzung weiter. Wann die KI alles perfekt umsetzen kann, ist also nur eine Frage der Datensätze.

Bild-generierende KI und das Ende der Kunst?

Tobias Wüstefeld, Hamburger Illustrator, experimentiert bereits seit 2015 mit KI-Technologien. Er blickt kritisch auf seine bisherigen Projekte zurück und gibt zu, dass ein Drittel seiner Illustrationen auch von einer KI hätten umgesetzt werden können. Bei anatomisch korrekten Zeichnungen und weniger populären Kunststilen schwächelt sie jedoch. Künstler:innen kann die KI zwar noch nicht vollständig ersetzen, die Technologie könnte jedoch ein Drittel der angehenden Illustrierenden überflüssig machen.

Eine besonders dramatische Entwicklung zeigt sich in Chinas Gaming Branche3. Seit 2022 werden KI-Bildgeneratoren wie Stable Diffusion, Midjourney und DALL-E 2 für das Design von Videospielcharakteren, Hintergründen und Werbekampagnen eingesetzt. Statt vollständigem Charakterdesign müssen Illustrierende jetzt nur noch die Fehler der KI-Bilder ausbessern, und das zu einem Bruchteil ihrer ursprünglichen Gage. Die Angst, den Job zu verlieren, erhöht den Konkurrenzkampf und Überstunden sind die Folge. Wer sich weiterhin behaupten möchte, muss die Zusammenarbeit mit der KI meistern.

Podiumsdiskussion auf der Leipziger Buchmesse mit Markus Dömer, Matthias Göritz und Tobias Wüstefeld, moderiert von Gert Scobel
v. l. n. r.: Markus Dömer (Head of Business Development beim Carlsen Verlag), Matthias Göritz (Schriftsteller, Übersetzer), Gert Scobel (Journalist, Philosoph) und Tobias Wüstefeld (Illustrator)

Diskussionsbedarf birgt auch die Frage, ob die KI überhaupt ein künstlerisches Selbstbewusstsein besitzt, wenn Körperlichkeit, Emotionalität und Ethik fehlen. Die KI entscheidet nicht selbst, Kunst zu schaffen, sie setzt lediglich die Prompts/Befehle um, die ihr geben werden.

Gemeinsam mit KI statt gegen sie

Der Carlsen Verlag setzt ChatGPT bereits zum Brainstorming und in anderen Phasen des Schaffensprozesses ein. Sie positionieren sich klar gegen den Ersatz menschlicher Kunstschaffender. Viel mehr ist es wichtig, den richtigen Umgang mit der KI zu lernen und sie als nützliches Tool im Arbeitsprozess einzusetzen.

Autor Matthias Göritz wagt ein Experiment und schreibt sein nächstes Buch in Zusammenarbeit mit ChatGPT. Die KI übersetzt Texte und verfasst kleine Geschichten vom portugiesischen Namensvetter des Autors. Um möglichst authentische Erlebnisse und Emotionen darzustellen, muss er ChatGPT die Idee geben, wie es sich anfühlt, durch europäische Straßen zu laufen. In seiner Tätigkeit als Übersetzer nutzte Göritz bereits regelmäßig die in Köln entwickelte KI DeepL als Übersetzungstool.

Der richtige Umgang mit KI-Technologie

Fallbeispiel 1: neue Richtlinien der Fachzeitschrift Nature
  • Kein Large Language Model Tool (z. B. ChatGPT) wird als anerkannte Autor:in einer Forschungsarbeit akzeptiert. Alle Autor:innen haben die Verantwortung, die ihre Arbeit mit sich bringt, selbst zu tragen. KI-Werkzeuge können diese Verantwortung nicht übernehmen.
  • Forschende, die die Werkzeuge verwenden, sollen diese Verwendung im Abschnitt über Methoden und Danksagung dokumentieren.
Fallbeispiel 2: Stellungnahme von NRW zur Nutzung von KI in Schulen

Ein Verbot von KI im Unterricht kann vor dem Hintergrund einer äußerst dynamisch entwickelnden Welt, in der die Schüler:innen leben, keine tragfähige Perspektive sein. Stattdessen sollte das Thema KI im Unterricht integriert werden (z. B. Klassenarbeiten, Prüfungen).

Ein Ausblick in die Zukunft

Markus Dömer: „Carlsen ist gegen das Ersetzen des Menschen durch KI. Wir wollen den [Autor:innen] aber auch nicht den Einsatz von KI-Tools verbieten. Woher sie ihre Inspiration holen, sollte offen bleiben.“

Matthias Göritz: „Es sind Wasserzeichen nötig, die anzeigen, welche Texte/Textabschnitte Kopien von ChatGPT darstellen.“

Tobias Wüstefeld: „Wasserzeichen sind wichtig. Außerdem sollte klar sein, dass die Maschine für mich arbeitet und nicht umgekehrt.“

Wie geht ihr mit dem Thema KI um?

Schreibt uns gerne eure Meinung in die Kommentare.


Quellen:

3sat Talk: KI – mit Markus Dömer, Matthias Göritz, Tobias Wüstefeld und Gert Scobel

1 https://www.industry-of-things.de/was-ist-generative-ki-und-was-kann-sie-a-8faf44a80c7de6711d3b05875722c122/

2 https://de.wikipedia.org/wiki/ChatGPT

3 https://restofworld.org/2023/ai-image-china-video-game-layoffs/

Weiterführende Links:

https://openai.com/blog/chatgpt

https://www.midjourney.com/home/?callbackUrl=%2Fapp%2F

https://www.deepl.com/de/translator

6 Gedanken zu „Buchzeit-Talk: KI“

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